Vortragsreihe: Mittelalterliche Keramikproduktion in Mayen unter Innovationsdruck


Sich ändernde Kundenwünsche und die Entwicklung neuer Technologien sind für Unternehmen eine Herausforderung. Das war bereits im Mittelalter so. Zu spüren bekommen haben das im 12. / 13. Jahrhundert auch die Töpfereien in Mayen. Wie die Produktionsstätten darauf reagierten, war Thema eines Vortrags, zu dem die Volkshochschule (VHS) der Verbandsgemeinde Weißenthurm geladen hatte. Vom Mainzer Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) war Dr. Michael Herdeck in den Ratssaal der VG gekommen und stellte im Rahmen der archäologisch-historischen Vortragsreihe die Hintergründe der mittelalterlichen Keramikproduktion in Mayen vor.

Im 12./13. Jh. entdeckten die Menschen in Mitteleuropa ihre Vorliebe für wasserundurchlässige und stoßfeste Keramikwaren. Das gelang den Töpfern jedoch zunächst nur bedingt: Sie produzierten sogenanntes Protosteinzeug. In Mayen hatte die Keramikproduktion schon damals eine lange Tradition: Bereits seit der Spätantike gab es dort Töpfereien, die ihre Produkte bis in das heutige Großbritannien exportierten. Doch die neuen Anforderungen an die Waren war für die mittelalterlichen Betriebe eine echte Herausforderung. „Es mussten Öfen entwickelt werden, die geeignet waren, Temperaturen über 1000 Grad Celsius zu erreichen und längere Zeit auf das Brenngut einwirken zu lassen. Erschwerend kam hinzu, dass in Mayen keine echten Steinzeugtone anstehen“, erläuterte Herdick den enormen Innovationsdruck für die dortigen Töpfereien. Die besondere Aufmerksamkeit der Archäologen weckte ein Experimentalofen aus Mayen, der um 1200 n. Chr. errichtet worden war. Dabei hatte man versucht, die Vorteile zweier jahrhundertelang bewährter Konstruktionslinien zusammenzuführen.

Die Töpfer konnten damit jedoch nur teilweise ihre Ziele erreichen: „In dem neuen Ofen konnten pro Jahr etwa 10.000 Gefäße gebrannt werden. Nur in einem kleinen Teilbereich dieser Ofenkonstruktion wurden die notwendigen Temperaturen zur Entstehung von Protosteinzeug erreicht. Die übrigen Keramikgefäße konnten jedoch sehr wohl noch als Irdenwaren auf dem Markt verkauft werden“, berichtete der Fachmann für experimentelle Keramikarchäologie. Dem interessierten Publikum im gut besuchten Ratssaal zeigte Herdick, wie die Experten im LEIZA-Labor an den Erlebniswelten Grubenfeld vorgehen und forschen. „Wir haben einen spätantiken Mayener Schachtofen sowie ein Modell des mittelalterlichen Experimentalofens rekonstruiert, Brennversuche durchgeführt und umfassende Erkenntnisse über Stärken und Schwächen der Ofenkonstruktionen gewonnen“, sagte er. Die Mayener Töpfereien verloren schließlich den Anschluss an die technologische und wirtschaftliche Entwicklung der großen Steinzeugzentren. Sie erreichten die geforderte Qualität nicht. Dennoch bestand die Töpfereitradition in Mayen bis ins 20. Jahrhundert hinein fort.

Der letzte Vortrag in der diesjährigen Reihe historisch-archäologischer Vorträge findet statt am Dienstag, 24. Oktober 2023. Vom Mainzer Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) sind Dr. Lutz Grunwald und Dr. Stefan Wenzel zu Gast und widmen sich dem Wirtschaftsraum des Moselmündungsgebietes als Beispiel für Kontinuität von der Spätantike bis an den Beginn des Hochmittelalters. Beginn ist um 18 Uhr.