Perspektive gGmbH zeigt neue Wege: „Wir können mehr als Standard“


Die Kaufhäuser Peppermint in Andernach und Weißenthurm sowie das Fachgeschäft FaiRegio sind die bekanntesten Initiativen der Perspektive gGmbH. 1996 haben die Verbandsgemeinden Weißenthurm und Pellenz gemeinsam mit der Stadt Andernach die gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft gegründet. Der Aufsichtsratsvorsitz wechselt zwischen den Bürgermeistern Thomas Przybylla, Klaus Bell und Claus Peitz. Im gemeinsamen Interview erklären der betriebswirtschaftliche Leiter der Perspektive, Christian Luxem, und der Bürgermeister der VG Weißenthurm, Thomas Przybylla, wie es zur Gründung der Organisation kam, warum es für die aktuell rund 150 Klientinnen und Klienten so schwer ist, Arbeit zu finden und welche Angebote die Perspektive derzeit hat.

Wie kam es zur Gründung der Perspektive gGmbH?

Przybylla: Die Idee vor über 25 Jahren war, gemeinsam Menschen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen, die aus verschiedensten Gründen Schwierigkeiten haben, sich dort zu integrieren. Die beiden Verbandsgemeinden und die Stadt wollten sich dafür einsetzen, dass Menschen ohne Arbeit und Ausbildung bessere Chancen bekommen, einen Beruf zu erlernen oder auszuüben. Das Anliegen hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren.

Welche Hemmnisse sorgen für die Schwierigkeiten Ihrer Klientel, auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?

Luxem: Derzeit müssen Hemmnisse multidimensional gesehen werden. Die Kombination aus körperlichen und psychischen Faktoren ist meist für die schwierige Integration im Arbeitsmarkt verantwortlich. Stellen Sie sich vor, dass sie aufgrund von körperlichen Einschränkungen ihre Anstellung verlieren. Nach vielen erfolglosen Versuchen erneut eine Stelle zu finden, beginnt sich der Mensch aufzugeben. An dieser Stelle können wir bereits von psychischen Einflüssen sprechen, die dann oftmals durch Alkohol oder andere Rauschmittel verstärkt werden – der Teufelskreis hat begonnen. Wir wollen diesen Menschen, Menschen mit geringem Bildungsstand oder Menschen mit Migrationshintergrund die Chance geben, wieder am Arbeitsleben teilnehmen zu können.

Sie sind seit 2018 mit Karl Werf Leiter der Perspektive. Was hat sich seitdem verändert?

Luxem:  Früher war es einfacher, unserer Klienten wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Jemand, der bei uns mit pädagogischen und fachpraktischen Maßnahmen nachgeschult wurde, konnte auch vermittelt werden. Heute ist die Arbeitsleistung oft so schwach, dass es keine Stellen gibt. Deshalb versuchen wir, mit unserem Team aus Sozialarbeiterinnen und -arbeitern sowie Fachanleitern Arbeitnehmertugenden wie Pünktlichkeit, aber auch Kulturtechniken zu verbessern. Zudem kommen heute neben der Generation Ü50 auch recht junge Menschen, die oft keinen Schulabschluss oder eine schlechte Bildung haben. Gerade für die Jüngeren ist eine sinnvolle Beschäftigung aber so wichtig, weil dadurch das Selbstwertgefühl steigt, so was wie Normalität entsteht und es in der Familie besser läuft.

Welche Projekte und Initiativen gibt es in der VG Weißenthurm?

Przybylla: Im Second-Hand-Kaufhaus Peppermint in der Weißenthurmer Hauptstraße werden gebrauchte Kleidung, Haushaltswaren, Spielsachen und Bücher angeboten. Die Perspektive betreut außerdem die Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt Weißenthurm mit und die Verwaltung wickelt ihre Post über den Perspektive-Tochterbetrieb IPS ab.

Luxem: In Andernach haben wir auch ein Peppermint-Kaufhaus, das zusätzlich Möbel und Elektrogeräte anbietet. Alle Spenden können nur in Andernach angenommen werden. Wichtig ist, dass die Leute nur verwertbare Sachen bringen, damit uns keine Kosten für die Entsorgung entstehen. Sonst würde die Spende zur Antispende.

Was bietet die Perspektive sonst noch?

Luxem: Auf dem Gelände der Lebenswelten, einem Erholungsgebiet im Andernacher Stadtteil Eich, pflanzt und pflegt die Perspektive die Permakultur mit Gemüse und Kräutern und verarbeitet sie zu einer Produktlinie mit unter anderem Suppen, Saucen, Aufstrichen und Wurst. Zu haben sind die Produkte im Fachgeschäft FaiRegio, das wir in Kooperation mit dem Verein „Aktion Eine Welt Andernach e.V.“ betreiben und im Hofladen direkt vor Ort. Außerdem pflegen unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Wohnmobilstellplatz am Andernacher Rheinufer und betreuen auch in Andernach und der VG Pellenz viele Asylunterkünfte. Grundsätzlich gehen mit uns auch verrückte Ideen: Wir können mehr als Standard. Intern sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem in der Hauswirtschaft, der Kfz-Werkstatt oder bei Montage und Verpackung eingesetzt.

Przybylla: Die Einsatzfelder der Perspektive insgesamt sind vielfältig. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer pflegen auch öffentliche Grünflächen, Straßenbegleitgrün oder Wanderwege, in der Schreinerei entstehen tolle Holzarbeiten. Für die VG Weißenthurm als Gesellschafterin ist der Einsatz für benachteiligte Menschen wichtig. Nach dem Prinzip „Integration durch Perspektiven“ wollen wir mit den Hilfsangeboten dazu beitragen, dass individuelle berufliche Integration gelingt und auch die Teilhabe am sozialen Leben gefördert wird.

Die Perspektive gGmbH ist eine gemeinnützige Gesellschaft für berufs­bezogene Bildung, Qualifizierung und Integration, die Geschäftsführer Karl Werf und der betriebswirtschaftliche Leiter Christian Luxem führen. Spenden werden in der Andernacher Niederlassung am Grünen Weg 32-38 von Montag bis Donnerstag zwischen 8 und 15 und am Freitag von 8 bis 11.30 Uhr angenommen. Möbel können auf Wunsch auch abgeholt werden. Erreichbar ist die Perspektive unter Telefon 02632 / 25360 oder per Mail unter kontakt@perspektive-andernach.de

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